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Aufgrund der seit dem Jahr 2020 grassierenden Corona-Pandemie und den damit verbundenen (zeitweisen) Einschränkungen in der stationären medizinischen Versorgung (bspw. Streichen von geplanten, medizinisch nicht akut notwendigen Operationen), weichen die Fallzahlen signifikant von den durchschnittlichen Fallzahlen vor Pandemiebeginn ab. Dies hat zur Folge, dass die Kalkulation des aG-DRG Systems und eines Fallpauschalen-Katalogs (FPK) durch das Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) wiederholt auf Basis der Kosten- und Leistungsdaten abweichender Fallzahlen durchgeführt werden muss. Um einem damit einhergehenden verzerrenden kalkulatorischen Einfluss entgegenzuwirken, hat sich das InEK für einen gestuften Dämpfungsansatz (auch als harmonische Dämpfung bezeichnet) entschieden.

 

 

Grundlage des Dämpfungsansatzes

Bereits im Jahr 2017 wurde mit Einführung der Sachkostenkorrektur aktiv in das sich sonst selbst regulierende System eingegriffen. Einer Übervergütung der Sachkostenanteile einer Diagnosis Related Group (DRG) wurde mit der Sachkostenkorrektur entgegengewirkt. Bei Vorliegen allgemein steigender Personalkosten wurden die Sachkostenanteile aktiv gemindert und auf die Personal- sowie Infrastrukturkostenanteile umverteilt.

Aufgrund der pandemischen Situation besteht wieder der Bedarf, aktiv in das System einzugreifen und verzerrende Einflüsse zu mildern. Konkret bezieht sich der Eingriff nicht auf die Sachkosten; diese bleiben vom Dämpfungsansatz aufgrund der Sachkostenkorrektur unbeachtet. Vielmehr bezieht sich die Regelung auf die Personal- sowie Infrastrukturkosten („Restkosten“).

 

Verzerrender kalkulatorischer Einfluss

Berechnungen des InEK zufolge weichen die Fallzahlen des Datenerhebungsjahres 2021 im Durchschnitt um -13,5% von den Fallzahlen vor Corona-Beginn aus dem Datenerhebungsjahr 2019 ab. Dies bedeutet, dass im Schnitt 13,5% weniger Fälle in den Krankenhäusern behandelt wurden.

Sinkende Fallzahlen haben aus Sicht der Kalkulation einen unmittelbaren Einfluss auf die Kosten und folglich auf die Berechnung des neuen aG-DRG Systems, insbesondere auf die Relativgewichte (RG) der Fallpauschalen. Je nachdem, wie stark die Fallzahlen abweichen, kommt es zu gegensätzlichen Effekten:

  1. „DRGs, die relativ zur durchschnittlichen Fallzahlveränderung vom Jahr 2019 zum Jahr 2021 deutlich stärker in der Fallzahl gesunken sind“ (Quelle: InEK)
    • Starker steigender Einfluss der Fallzahlveränderung auf die Restkosten
  2. „DRGs, die in der Fallzahl deutlich weniger stark gesunken oder sogar angestiegen sind“ (Quelle: InEK)
    • Starker senkender Einfluss auf die Restkosten

Eine Nichtbeachtung dieser Effekte hat zur Konsequenz, dass sich die Relativgewichte der DRGs zum Teil deutlich ändern und die einzelnen Krankenhäuser unterschiedlich davon betroffen wären.

 

Gestufter Dämpfungsansatz

Um die beschriebenen Effekte zu mildern hat das InEK den gestuften Dämpfungsansatz etabliert. Konkret wurden insgesamt drei Dämpfungsstufen festgelegt, die den Anstieg bzw. Rückgang der Relativgewichte dämpfen sollen: Dämpfung auf 0%, auf 2% oder auf 4%.

Zudem hat das InEK einen prozentualen Schwellenwert für die durchschnittliche Fallzahlveränderung zwischen den Jahren 2019 und 2021 festgelegt. Dieser liegt bei -13,5%, also 13,5% Fälle weniger als im Jahr 2019. Je nach Unter- oder Überschreitung dieses Wertes greift der Dämpfungsansatz mit den genannten Stufen.

Daraus ergibt sich eine Matrix, anhand derer man eine mögliche Dämpfung anhand von Fallzahl- und Relativgewichtsveränderung ablesen kann.

 

Matrix zur Evaluierung der Dämpfung hinsichtlich der Fallzahl- und Relativgewichtsveränderung

Matrix zur Evaluierung des Dämpfungsansatzes bzgl. Fallzahl- und Relativgewichtsveränderung

 

Ausnahme: DRGs, deren Fallzahlen und Restkosten parallel gestiegen bzw. deren Fallzahlen und Restkosten parallelgesunken sind, werden nicht gedämpft.

 

Schritte der Durchführung

Das InEK folgt bei jeder Fallpauschale (DRG) gewissen Schritten, um den Fallpauschalen-Katalog möglichst sachgerecht zu kalkulieren.

  1. Schritt: Berechnung der prozentualen Fallzahlveränderung der DRG (2019 ⇔ 2021)
  2. Schritt: Zerlegung der DRG in Sachkosten, Personal- und Infrastrukturkosten (= Restkosten), Berechnung des ungedämpften Relativgewichts für die Restkosten und Vergleich mit Vorjahreskatalog
  3. Schritt: Dämpfung des Relativgewichts für die Restkosten
  4. Schritt: Zusammenfügen der Komponenten Sachkosten und Restkosten zum Gesamt-Relativgewicht

 

Harmonische Dämpfung am Beispiel der DRG O60A

Schritt 1: Berechnung der prozentualen Fallzahlveränderung der DRG

Die Grundlage für alle weiteren kalkulatorischen Schritte bildet die Berechnung der Fallzahlveränderung. Hierzu werden die Fallzahlen der ausgewählten DRG aus dem Datenerhebungsjahr 2019 (vor Corona) den Fallzahlen aus dem Datenerhebungsjahr 2021 für Gesamtdeutschland (Datenquelle: InEK DatenBrowser) gegenübergestellt.

 

O60A

2019

2021

Fallzahlveränderung

Fallzahlen Gesamtdeutschland 

1.699

1.522

-177 (-10,42%)

⇒ Die DRG O60A hatte im Vergleich zum Datenerhebungsjahr 2019 ~10,4% weniger Fälle. Somit ist die Fallzahlveränderung geringer als im Gesamtdurchschnitt.

 

Schritt 2: Zerlegung der DRG in Sachkosten, Personal- und Infrastrukturkosten (= Restkosten), Berechnung des ungedämpften Relativgewichts für die Restkosten und Vergleich mit Vorjahreskatalog (2022)

Nachdem der Fallzahlrückgang ermittelt wurde, wird die DRG O60A in ihre Komponenten Sachkosten sowie Personal-/Infrastrukturkosten („Restkosten“) zerlegt. Da die Sachkostenkomponente von der Dämpfung unberührt bleibt, wird das Relativgewicht gemäß der Sachkostenkorrektur kalkuliert.

Es folgt die Gegenüberstellung der Relativgewichte für die Restkosten aus dem Vorjahreskatalog 2022 mit dem ungedämpften Relativgewicht basierend auf den Kostendaten 2021 (Quelle: InEK).

 

O60A

Katalog 2022

ungedämpft

Relativgewichtsveränderung

RG Restkosten

1,283

1,157

-0,126 (-9,8%)

⇒ Aus der Gegenüberstellung resultiert ein Relativgewichtsrückgang um 9,8%.

 

Gemäß der Matrix gilt:
Ein Fallzahlrückgang um 10,4% sowie ein RG-Rückgang resultiert in einer Dämpfung auf -2%, also einer Begrenzung des RG-Rückgangs von 9,8% auf nunmehr 2%.

 

Darstellung der Matrix zur Ermittlung der Dämpfungsstufe für die DRG O60A

Ermittlung der Dämpfungsstufe für die DRG O60A anhand der Matrix zum Dämpfungsansatz

 

Schritt 3: Dämpfung des Relativgewichts für die Restkosten

Nach der Ermittlung des Dämpfungswertes erfolgt die Berechnung des neuen Relativgewichts für die Restkosten.
Das ungedämpfte Relativgewicht der Restkosten in Höhe von 1,157 wird soweit angehoben, dass der RG-Rückgang „nur“ noch 2% entspricht.

 

O60A

Katalog 2022

Katalog 2023 gedämpft

Relativgewichtsveränderung

RG Restkosten

1,283

1,257

-0,026 (-2%)

⇒ Dämpfung auf 2% Rückgang

⇒ 1,283 – 2%

⇒ Das gedämpfte Relativgewicht der Restkosten für 2023 entspricht einer Höhe von 1,257.

 

Schritt 4: Zusammenfügen der Komponenten Sachkosten und Restkosten zum Gesamt-Relativgewicht

Aus der Sachkostenkorrektur für die Sachkostenkomponente ergibt sich ein Relativgewicht in Höhe von 0,013 (Quelle: InEK). Zusammen mit dem Relativgewicht für die Restkosten (1,257) ergibt sich ein Gesamt-Relativgewicht in Höhe von 1,270 für die DRG O60A im Geltungsjahr 2023.

 

O60A

Sachkosten

Restkosten

Gesamt

Relativgewicht 2023

0,013

1,257

1,270

 

Darstellung der Dämpfung des RG Restkosten anhand der DRG O60A

Dämpfung des Relativgewichts der Restkosten der DRG O60A

 

In der Gesamtbetrachtung der DRG wird der Effekt des Dämpfungsansatzes noch deutlicher:
Im Geltungsjahr 2022 war die DRG O60A mit einem Relativgewicht in Höhe von 1,291 bewertet. Ungedämpft wäre diese Fallpauschale im Fallpauschalen-Katalog 2023 mit einem RG In Höhe von 1,170 kalkuliert worden (Quelle: InEK). Dies entspräche einer Differenz von -9,4%.

Durch die Dämpfung und dem daraus resultierenden (vorläufigen) Gesamt-Relativgewicht für das Geltungsjahr 2023 in Höhe von 1,270 wird der starke Rückgang sogar auf „lediglich“ 1,6% gedämpft. Mit diesem ermittelten Relativgewicht wird im Anschluss die klassifikatorische Weiterentwicklung durchgeführt.

 

O60A

Katalog 2022

ungedämpft

Katalog 2023 gedämpft

Relativgewicht

1,291

1,170

1,270

Differenz

-0,121 (-9,4%)

-0,021 (-1,6%)

 

Klassifikatorische Weiterentwicklung – Bonus-Malus-Regelung

Die dargestellte Dämpfung der Restkosten-Entwicklung stellt in der klassifikatorischen Weiterentwicklung des aG-DRG Systems nicht den letzten Schritt dar.

Um die tatsächliche Fallzahlveränderung zu messen, werden die Zahlen der Datenjahre 2019 (gegroupt nach 2020) und 2021 (gegroupt nach 2022) verwendet. Unberücksichtigt bleiben hierbei sämtliche Migrationen (Fallwanderungen z.B. durch höhere Fallkosten), aufgrund dessen bestimmte Fälle einer DRG in neue Fallpauschalen eingruppiert werden. Dies geschieht in einem nachgelagerten Schritt durch eine „sequenzielle Verkettung“ der Schritte Dämpfung und klassifikatorische Weiterentwicklung (Quelle: InEK) und beinhaltet die sogenannte „Bonus-Malus-Regelung“.

Diese besagt, dass alle wandernden Fälle ihre gedämpften Relativgewichtspunkte von der Herkunfts-DRG in die Ziel-DRG mitnehmen und so das Gesamtrelativgewicht der Ziel-DRG beeinflussen.

 

Kennzahlen des Fallpauschalen-Katalogs 2023

Der Fallpauschalen-Katalog (FPK) für das Geltungsjahr 2023 beinhaltet diverse DRGs, die vom Dämpfungsansatz berücksichtigt wurden:

  • bei 446 DRGs wurde ein relativgewichts-Rückgang gedämpft (Case Mix Volumen = 6,3 Mio.)
  • bei 219 DRGs wurde ein Relativgewichts-Anstieg gedämpft (Case Mix Volumen = 2,4 Mio.)
  • bei 567 DRGs wurde nicht gedämpft (Case Mix Volumen = 6,2 Mio.)

 


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