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Aufgrund der Corona-Pandemie und den damit verbundenen (zeitweisen) Einschränkungen in der stationären medizinischen Versorgung (bspw. Streichen von geplanten, medizinisch nicht akut notwendigen Operationen), wichen die Fallzahlen signifikant von den durchschnittlichen Fallzahlen vor Pandemiebeginn ab. Dies hatte zur Folge, dass die Kalkulation des aG-DRG Systems und eines Fallpauschalen-Katalogs (FPK) durch das Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) wiederholt auf Basis der Kosten- und Leistungsdaten abweichender Fallzahlen durchgeführt werden muss. Um einem damit einhergehenden verzerrenden kalkulatorischen Einfluss entgegenzuwirken, hat sich das InEK für einen gestuften Dämpfungsansatz (auch als harmonische Dämpfung bezeichnet) entschieden. Dieser wurde für die Jahre 2023 und 2024 umgesetzt. Nach zwei Jahren mit Dämpfung wurde durch die Selbstverwaltungspartner entschieden, dass eine Dämpfung grundsätzlich nicht mehr angezeigt ist, sodass diese für das Jahr 2025 nicht erneut (vollständig) durchgeführt wurde.

 

 

Grundlage des Dämpfungsansatzes

Bereits im Jahr 2017 wurde mit Einführung der Sachkostenkorrektur aktiv in das sich sonst selbst regulierende System eingegriffen. Einer Übervergütung der Sachkostenanteile einer Diagnosis Related Group (DRG) wurde mit der Sachkostenkorrektur entgegengewirkt. Bei Vorliegen allgemein steigender Personalkosten wurden die Sachkostenanteile aktiv gemindert und auf die Personal- sowie Infrastrukturkostenanteile umverteilt.

Aufgrund der pandemischen Situation bestand erneut der Bedarf, aktiv in das System einzugreifen und verzerrende Einflüsse zu mildern. Konkret bezog sich der Eingriff nicht auf die Sachkosten; diese blieben vom Dämpfungsansatz aufgrund der Sachkostenkorrektur unbeachtet. Vielmehr bezog sich die Regelung auf die Personal- sowie Infrastrukturkosten („Restkosten“).

 

Verzerrender kalkulatorischer Einfluss

Berechnungen des InEK zufolge wichen die Fallzahlen des Datenerhebungsjahres 2021 im Durchschnitt um -13,5 % von den Fallzahlen vor Corona-Beginn aus dem Datenerhebungsjahr 2019 ab. Dies bedeutete, dass im Schnitt 13,5 % weniger Fälle in den Krankenhäusern behandelt wurden.

Sinkende Fallzahlen hatten aus Sicht der Kalkulation einen unmittelbaren Einfluss auf die Kosten und folglich auf die Berechnung des neuen aG-DRG Systems, insbesondere auf die Relativgewichte (RG) der Fallpauschalen. Je nachdem, wie stark die Fallzahlen abweichen, kam es zu gegensätzlichen Effekten:

  1. „DRGs, die relativ zur durchschnittlichen Fallzahlveränderung vom Jahr 2019 zum Jahr 2021 deutlich stärker in der Fallzahl gesunken sind“ (Quelle: InEK)
    • Starker steigender Einfluss der Fallzahlveränderung auf die Restkosten
  2. „DRGs, die in der Fallzahl deutlich weniger stark gesunken oder sogar angestiegen sind“ (Quelle: InEK)
    • Starker senkender Einfluss auf die Restkosten

Eine Nichtbeachtung dieser Effekte hatte zur Konsequenz, dass sich die Relativgewichte der DRGs zum Teil deutlich ändern und die einzelnen Krankenhäuser unterschiedlich davon betroffen wären.

 

Gestufter Dämpfungsansatz

Um die beschriebenen Effekte zu mildern hatte das InEK den gestuften Dämpfungsansatz etabliert. Konkret wurden insgesamt drei Dämpfungsstufen festgelegt, die den Anstieg bzw. Rückgang der Relativgewichte dämpfen sollen: Dämpfung auf 0 %, auf 2 % oder auf 4 %.

Zudem legte das InEK einen prozentualen Schwellenwert für die durchschnittliche Fallzahlveränderung zwischen den Jahren 2019 und 2021 fest. Dieser lag bei -13,5 %, also 13,5 % Fälle weniger als im Jahr 2019. Je nach Unter- oder Überschreitung dieses Wertes griff der Dämpfungsansatz mit den genannten Stufen.

Daraus ergab sich eine Matrix, anhand derer man eine mögliche Dämpfung anhand von Fallzahl- und Relativgewichtsveränderung ablesen konnte.

 

Matrix zur Evaluierung der Dämpfung hinsichtlich der Fallzahl- und Relativgewichtsveränderung

Matrix zur Evaluierung des Dämpfungsansatzes bzgl. Fallzahl- und Relativgewichtsveränderung

 

Ausnahme: DRGs, deren Fallzahlen und Restkosten parallel gestiegen bzw. deren Fallzahlen und Restkosten parallelgesunken waren, wurden nicht gedämpft.

 

Schritte der Durchführung

Das InEK folgte bei jeder Fallpauschale (DRG) gewissen Schritten, um den Fallpauschalen-Katalog möglichst sachgerecht zu kalkulieren.

  1. Schritt: Berechnung der prozentualen Fallzahlveränderung der DRG (2019 ⇔ 2021, bzw. 2019 ⇔ 2022)
  2. Schritt: Zerlegung der DRG in Sachkosten, Personal- und Infrastrukturkosten (= Restkosten), Berechnung des ungedämpften Relativgewichts für die Restkosten und Vergleich mit Vorjahreskatalog
  3. Schritt: Dämpfung des Relativgewichts für die Restkosten
  4. Schritt: Zusammenfügen der Komponenten Sachkosten und Restkosten zum Gesamt-Relativgewicht

 

Harmonische Dämpfung am Beispiel der DRG O60A

Schritt 1: Berechnung der prozentualen Fallzahlveränderung der DRG

Die Grundlage für alle weiteren kalkulatorischen Schritte bildete die Berechnung der Fallzahlveränderung. Hierzu wurden die Fallzahlen der ausgewählten DRG aus dem Datenerhebungsjahr 2019 (vor Corona) den Fallzahlen aus dem Datenerhebungsjahr 2021 (bzw. 2022) für Gesamtdeutschland (Datenquelle: InEK DatenBrowser) gegenübergestellt.

 

O60A

2019

2021

Fallzahlveränderung

Fallzahlen Gesamtdeutschland 

1.699

1.522

-177 (-10,42 %)

⇒ Die DRG O60A hatte im Vergleich zum Datenerhebungsjahr 2019 ~10,4 % weniger Fälle. Somit war die Fallzahlveränderung geringer als im Gesamtdurchschnitt.

 

Schritt 2: Zerlegung der DRG in Sachkosten, Personal- und Infrastrukturkosten (= Restkosten), Berechnung des ungedämpften Relativgewichts für die Restkosten und Vergleich mit Vorjahreskatalog (2022)

Nachdem der Fallzahlrückgang ermittelt wurde, wurde die DRG O60A in ihre Komponenten Sachkosten sowie Personal-/Infrastrukturkosten („Restkosten“) zerlegt. Da die Sachkostenkomponente von der Dämpfung unberührt bleibt, wurde das Relativgewicht gemäß der Sachkostenkorrektur kalkuliert.

Es folgte die Gegenüberstellung der Relativgewichte für die Restkosten aus dem Vorjahreskatalog 2022 mit dem ungedämpften Relativgewicht basierend auf den Kostendaten 2021 (Quelle: InEK).

 

O60A

Katalog 2022

ungedämpft

Relativgewichtsveränderung

RG Restkosten

1,283

1,157

-0,126 (-9,8 %)

⇒ Aus der Gegenüberstellung resultierte ein Relativgewichtsrückgang um 9,8 %.

 

Gemäß der Matrix galt:
Ein Fallzahlrückgang um 10,4 % sowie ein RG-Rückgang resultierte in einer Dämpfung auf -2 %, also einer Begrenzung des RG-Rückgangs von 9,8 % auf nunmehr 2 %.

 

Darstellung der Matrix zur Ermittlung der Dämpfungsstufe für die DRG O60A

Ermittlung der Dämpfungsstufe für die DRG O60A anhand der Matrix zum Dämpfungsansatz

 

Schritt 3: Dämpfung des Relativgewichts für die Restkosten

Nach der Ermittlung des Dämpfungswertes erfolgte die Berechnung des neuen Relativgewichts für die Restkosten.
Das ungedämpfte Relativgewicht der Restkosten in Höhe von 1,157 wurde soweit angehoben, dass der RG-Rückgang „nur“ noch 2 % entsprach.

 

O60A

Katalog 2022

Katalog 2023 gedämpft

Relativgewichtsveränderung

RG Restkosten

1,283

1,257

-0,026 (-2 %)

⇒ Dämpfung auf 2 % Rückgang

⇒ 1,283 – 2 %

⇒ Das gedämpfte Relativgewicht der Restkosten für 2023 entspricht einer Höhe von 1,257.

 

Schritt 4: Zusammenfügen der Komponenten Sachkosten und Restkosten zum Gesamt-Relativgewicht

Aus der Sachkostenkorrektur für die Sachkostenkomponente ergab sich ein Relativgewicht in Höhe von 0,013 (Quelle: InEK). Zusammen mit dem Relativgewicht für die Restkosten (1,257) ergab sich ein Gesamt-Relativgewicht in Höhe von 1,270 für die DRG O60A im Geltungsjahr 2023.

 

O60A

Sachkosten

Restkosten

Gesamt

Relativgewicht 2023

0,013

1,257

1,270

 

Darstellung der Dämpfung des RG Restkosten anhand der DRG O60A

Dämpfung des Relativgewichts der Restkosten der DRG O60A

 

In der Gesamtbetrachtung der DRG wird der Effekt des Dämpfungsansatzes noch deutlicher:
Im Geltungsjahr 2022 war die DRG O60A mit einem Relativgewicht in Höhe von 1,291 bewertet. Ungedämpft wäre diese Fallpauschale im Fallpauschalen-Katalog 2023 mit einem RG In Höhe von 1,170 kalkuliert worden (Quelle: InEK). Dies entspräche einer Differenz von -9,4 %.

Durch die Dämpfung und dem daraus resultierenden (vorläufigen) Gesamt-Relativgewicht für das Geltungsjahr 2023 in Höhe von 1,270 wurde der starke Rückgang sogar auf „lediglich“ 1,6 % gedämpft. Mit diesem ermittelten Relativgewicht wurde im Anschluss die klassifikatorische Weiterentwicklung durchgeführt.

 

O60A

Katalog 2022

ungedämpft

Katalog 2023 gedämpft

Relativgewicht

1,291

1,170

1,270

Differenz

-0,121 (-9,4 %)

-0,021 (-1,6 %)

 

Klassifikatorische Weiterentwicklung – Bonus-Malus-Regelung

Die dargestellte Dämpfung der Restkosten-Entwicklung stellte in der klassifikatorischen Weiterentwicklung des aG-DRG Systems nicht den letzten Schritt dar.

Um die tatsächliche Fallzahlveränderung zu messen, wurden die Zahlen der Datenjahre 2019 (gegroupt nach 2020) und 2021 (gegroupt nach 2022) verwendet. Unberücksichtigt blieben hierbei sämtliche Migrationen (Fallwanderungen z. B. durch höhere Fallkosten), aufgrund dessen bestimmte Fälle einer DRG in neue Fallpauschalen eingruppiert wurden. Dies geschah in einem nachgelagerten Schritt durch eine „sequenzielle Verkettung“ der Schritte Dämpfung und klassifikatorische Weiterentwicklung (Quelle: InEK) und beinhaltet die sogenannte „Bonus-Malus-Regelung“.

Diese besagte, dass alle wandernden Fälle ihre gedämpften Relativgewichtspunkte von der Herkunfts-DRG in die Ziel-DRG mitnehmen und so das Gesamtrelativgewicht der Ziel-DRG beeinflussen.

 

Kennzahlen des Fallpauschalen-Katalogs 2023 und 2024

Der Fallpauschalen-Katalog (FPK) für die Geltungsjahre 2023 und 2024 beinhaltete diverse DRGs, die vom Dämpfungsansatz berücksichtigt wurden:

 

2023 2024
Anzahl Case Mix Volumen Anzahl Case Mix Volumen
DRGs, bei denen ein relativgewichts-Rückgang gedämpft wurde 446 6,3 Mio. 379 5,4 Mio.
DRGs, bei denen ein Relativgewichts-Anstieg gedämpft wurde 219 2,4 Mio. 291 2,8 Mio.
DRGs, bei denen nicht gedämpft wurde 567 6,2 Mio. 562 6,4 Mio.

 

Vereinfachte Dämpfung im Jahr 2025

Nach zwei Jahren Dämpfung entschieden die Selbstverwaltungspartner für das Jahr 2025, dass eine gestufte Dämpfung nicht mehr angezeigt ist. Der Abstand der zugrunde zulegenden Datenjahre 2019 zu 2023 war zu groß und Analysen zeigten, dass die Effekte der Dämpfung viel geringer ausfallen würden, als in den Vorjahren. Der Wegfall der Dämpfung hatte zur Konsequenz, dass „bei DRGs, bei denen ein Rückgang gedämpft war, […] die Bewertungsrelationen in der Tendenz [fallen], und bei DRGs, bei denen ein Anstieg gedämpft war, […] sie dagegen tendenziell [ansteigen]“ (Quelle: InEK Abschlussbericht 2025, S. 18).

Auf Bitten der Selbstverwaltungspartner hat das InEK dennoch eine vereinfachte Dämpfung vorgenommen: die effektiven Bewertungsrelationen für Fälle in „expliziten und impliziten Ein-Belegungstag-DRGs“ wurden pauschal um 15 % abgesenkt. Im Gegenzug wurden die effektiven Bewertungsrelationen der übrigen Fälle um einen konstanten und für alle DRGs gleichen Faktor erhöht. Dadurch sollte erreicht werden, dass sich das Case Mix Volumen in Deutschland nicht verändert.

 


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