Köln, 02.03.2018
Ein Medizinprodukt ist kein Arzneimittel – das liegt doch auf der Hand, oder?
Ganz so eindeutig ist es in der Tat nicht, denn gemäß ihren gesetzlichen Definitionen ist eine klare Abgrenzung nicht in jedem Aspekt möglich.
Was ist was?
Definition Arzneimittel
Arzneimittel sind gemäß § 2 Arzneimittelgesetz (AMG) Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen, die zur Anwendung am menschlichen oder tierischen Körper und/oder zur Heilung oder Linderung von Krankheiten bestimmt sind. Sie dienen der Wiederherstellung, Korrektur oder Beeinflussung von physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung. Sie werden ebenfalls zur Verhütung von Krankheiten oder Beschwerden eingesetzt und können sowohl am Körper, als auch im Körper wirken. Weiterhin können Arzneimittel dazu verwendet werden, Diagnosen zu stellen, indem sie in Form von Kontrastmitteln anatomische Strukturen sichtbar machen.
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Definition Medizinprodukt
Gemäß § 3 Medizinproduktegesetz (MPG) sind Medizinprodukte „alle einzeln oder miteinander verbunden verwendete Instrumente, Apparate, Vorrichtungen, Software, Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen oder andere Gegenstände einschließlich der vom Hersteller speziell zur Anwendung für diagnostische oder therapeutische Zwecke bestimmten und für ein einwandfreies Funktionieren des Medizinprodukts eingesetzten Software“.
Nähere Informationen zu Medizinprodukten finden Sie hier!
Arzneimittel versus Medizinprodukt – Abgrenzung
Arzneimittel versus Medizinprodukt – Welche Aspekte ähnlich sind und in welchen Aspekten sie sich unterscheiden wird deutlich, wenn man beide Bereiche gegenüberstellt.
Begriffsbestimmung
Die Tatsache, dass es für beide Bereiche ein eigenständiges Gesetz gibt, impliziert, dass es sich nicht um ein und denselben Bereich handelt. Die gesetzlichen Regelungen zu den Arzneimitteln sind im entsprechenden Arzneimittelgesetz manifestiert, wohingegen die Regelungen für Medizinprodukte im eigenen Medizinproduktegesetz niedergeschrieben sind.
In ihren Definitionen finden sich hingegen ähnliche Beschreibungen bezüglich ihrer Ausprägungen. Es handelt sich bei beiden zunächst um Stoffe bzw. Zubereitungen aus Stoffen, die es weiter abzugrenzen gilt. Dies geschieht eindeutig über den gegenseitigen Ausschluss aus der Begriffsdefinition. § 2 Abs. 4 Nr. 1 MPG enthält die Bestimmung, dass das MPG NICHT für Arzneimittel gilt. Dem gegenübergestellt besagt § 2 Abs. 3 Nr. 7 AMG, dass Medizinprodukte von der Definition eines Arzneimittels ausgeschlossen sind. Demnach kann ein Produkt nicht gleichzeitig ein Arzneimittel UND ein Medizinprodukt sein.
Erstattung/Reimbursement (stationär)
Die Erstattung beider Produkte unterscheidet sich wesentlich.
Hersteller von Arzneimitteln sind seit Inkrafttreten des Arzneimittelneuordnungsgesetzes (AMNOG) nicht mehr in der Lage, die Preise für ein Arzneimittel frei festzulegen. Es bedarf eines evidenzbasierten Nachweises des patientenrelevanten Zusatznutzens, ehe es in eine mögliche Preisverhandlung geht. Kann kein Zusatznutzen nachgewiesen werden, werden Arzneimittel in Festbetragsgruppen eingeordnet und es gilt der dafür vorgesehene Preis.
Bei Medizinprodukten ist die Sachlage derzeit etwas anders. Hersteller von Medizinprodukten dürfen zunächst ihre Preise für ihre Produkte selbst festlegen. Im stationären Sektor werden Medizinprodukte jedoch nicht eigenständig, sondern als Bestandteil medizinischer Behandlungsverfahren vergütet und unterliegen den Mechanismen des G-DRG Systems. Anpassungen des Systems können über verschiedene Antrags- und Vorschlagsverfahren (NUB, OPS, G-DRG) angestoßen werden.
Bei allen Vergütungen gilt das Wirtschaftlichkeitsgebot. Demnach dürfen Leistungen (auch die Gabe von Arzneimitteln oder die Behandlung unter Zuhilfenahme von Medizinprodukten) nur dann erbracht werden, wenn sie ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sind; dabei dürfen sie das Maß des Notwendigen nicht überschreiten.
Wirkungsweisen
Im Sinne des Gesetzgebers darf die Hauptwirkung eines Medizinprodukts weder pharmakologisch noch immunologisch oder metabolisch sein. Genau diese Wirkungsweisen entsprechen jedoch einem Arzneimittel. Daher ist eine Abgrenzung hinsichtlich ihrer Wirkungsweisen ein gutes Kriterium, ein Arzneimittel von einem Medizinprodukt zu unterscheiden.
ABER: Eine Ausnahme bilden Medizinprodukte, die bspw. mit einem Arzneimittel beschichtet sind und deren Wirkungsweisen durch solche Mittel (wie zuvor erwähnt) unterstützt werden können. Diese werden als Kombinationsprodukt bezeichnet. Sie bilden sich aus einem Arzneimittel und einem Medizinprodukt unter der Bedingung, dass die Produkte in Zusammenhang stehen und einem gemeinsamen, medizinischen Zweck dienen. Der Hersteller solcher Produkte muss sich dennoch entscheiden, welcher der beiden Kategorien er das Produkt gemäß der Hauptwirkung zuordnen möchte.
Beispiel: Insulinspritze
→ zum einmaligen Gebrauch → Arzneimittel
→ zum Wiederbefüllen → Medizinprodukt
Zweckbestimmung
Sowohl Arzneimittel als auch Medizinprodukte dienen der Erkennung, Heilung, Linderung und Verhütung von Krankheiten. Sie besitzen daher die gleiche medizinische Zweckbestimmung.
Hinsichtlich ihres Einsatzgebietes kann dennoch eine kleine Differenzierung herausgestellt werden. Arzneimittel sind für den Einsatz sowohl am/im menschlichen als auch tierischen Körper bestimmt. Medizinprodukte hingegen sind nur für die Anwendung am/im menschlichen Körper vorgesehen.
Kleiner Tipp: Um ein Medizinprodukt als solches zu identifizieren, ist ein Blick auf die Kennzeichnung hilfreich. Besitzt ein Produkt eine CE-Kennzeichnung, kann davon ausgegangen werden, dass es sich um ein Medizinprodukt handelt. Denn nur Medizinprodukte können eine CE-Kennzeichnung erhalten, Arzneimittel hingegen nicht. (Auch hier sind Ausnahmen möglich, aber nicht der Regelfall).
Fazit
Ein Arzneimittel kann kein Medizinprodukt sein – und umgekehrt. Es gibt für beide Bereiche eigene Gesetzgebungen und Regelungen. Anhand der Begriffsbestimmung, Erstattung/Reimbursement, Wirkungsweise und Zweckbestimmung ist es möglich, Arzneimittel und Medizinprodukte einigermaßen deutlich zu differenzieren. Auch Kombinationsprodukte aus Arzneimittel und Medizinprodukt sind möglich, jedoch müssen sie einer der beiden Kategorien gemäß der Hauptwirkung zugeordnet werden.