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Ein Medizinprodukt bezeichnet gemäß § 3 Nr. 1 Medizinproduktegesetz (MPG) einen Gegenstand oder Stoff zur medizinisch therapeutischen oder diagnostischen Verwendung am Menschen.

 

 

Medizinprodukt – Definition & Klasseneinteilung

Begriffsdefinition

Die genaue Definition des Begriffs „Medizinprodukt (MP)“ ist im § 3 MPG zu finden. Darin wird konkret festgelegt, wann ein MP als solches zu bezeichnen ist. Medizinprodukte sind demnach „alle einzeln oder miteinander verbunden verwendete Instrumente, Apparate, Vorrichtungen, Software, Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen oder andere Gegenstände einschließlich der vom Hersteller speziell zur Anwendung für diagnostische oder therapeutische Zwecke bestimmten und für ein einwandfreies Funktionieren des Medizinprodukts eingesetzten Software„. Sie dienen folgenden Zwecken:

  • Erkennung, Verhütung, Überwachung, Behandlung oder Linderung von Krankheiten
  • Erkennung, Überwachung, Behandlung, Linderung oder Kompensierung von Verletzungen oder Behinderungen
  • Untersuchung, Ersetzung oder Veränderung des anatomischen Aufbaus oder eines physiologischen Vorgangs
  • Empfängnisregelung

Weiterhin können Medizinprodukte als solche bezeichnet werden, wenn sie Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen enthalten oder auf die solche aufgetragen sind, die gesondert verwendet als Arzneimittel angesehen werden können. Zudem gelten In-vitro-Diagnostika als MP.

Für welchen Zweck ein Medizinprodukt einsetzbar ist, bestimmt der Hersteller mit der entsprechenden Zweckbestimmung. Diese legt fest, für welches Einsatzgebiet und für welche Anwendungsdauer ein MP dienlich ist.

Anders als bei den Arzneimitteln sind Medizinprodukte nur zur Anwendung im oder am menschlichen Körper gedacht und hauptsächlich physikalisch wirkend.

 

Medizinprodukte-Klassifizierung

Kriterien für die Klassifizierung

Medizinprodukte werden hinsichtlich der „Verletzbarkeit des menschlichen Körpers“ klassifiziert. Dies reicht von keinem vorliegenden Risiko für den menschlichen Körper, bis hin zu einem hohen Risiko und Gefahrenpotential. Folgende Kriterien helfen bei der Einteilung eines MP in eine der Risikoklassen (Quelle: BVMed):

  • Anwendungsdauer
    • < 60 Minuten
    • < 30 Tage
    • > 30 Tage
  • Anwendungsort
    • Grad der Invasivität (invasiv, chirurgisch invasiv, implantierbar)
    • Zentrales Kreislaufsystem oder zentrales Nervensystem
  • Wiederverwendbares chirurgisches Instrument
  • Aktives MP
    • aktiv therapeutisch
    • aktiv diagnostisch
  • Verwendung von biologischem Material (Mensch oder Tier)

 

Anhand dieser und weiterer Kriterien können Medizinprodukte einer der vier derzeit gültigen Risikoklassen zugeteilt werden.

 

Risikoklassen

Die Risikoklassen sind EU-weit durch den Anhang IX der Richtlinie 93/42/EWG festgelegt (Ausnahmen: In-vitro-Diagnostika und aktive implantierbare MP). Die Einteilung in eine Risikoklasse obliegt dem Hersteller mit der Zweckbestimmung. Weder die EU-Richtlinie noch die nationale Gesetzgebung nimmt eine solche Einteilung vor. Insgesamt gibt es vier Risikoklassen, die ein unterschiedlich hohes Risikopotential tragen:

  • Klasse I
    • geringes Risiko
    • geringer Invasivitätsgrad
    • vorübergehende Anwendung (< 60 Minuten)
    • Beispiele: Gehhilfen, Stützstrümpfe, Verbandmittel
  • Klasse IIa
    • mittleres Risiko
    • mäßiger Invasivitätsgrad
    • kurzzeitige Anwendung (< 30 Tage), ununterbrochen / wiederholter Einsatz des gleichen Produkts
    • Beispiele: Desinfektionsmittel (für Instrumente und Geräte), Einmalspritzen, Hörgeräte
  • Klasse IIb
    • erhöhtes Risiko
    • systemische Wirkung
    • langzeitige Anwendung (> 30 Tage)
    • Beispiele: Beatmungsgeräte, Defibrillatoren, Kondome
  • Klasse III
    • hohes Risiko
    • unmittelbare Anwendung an Herz, zentralem Kreislauf- oder Nervensystem
    • implantierbar und/oder hoch-invasiv
    • Beispiele: Herzkatheter, Stents, künstliche Gelenke

 

Medizinprodukt - Darstellung der Einteilung der Risikoklassen gem. EU-Richtlinie 93/42/EWG

Einteilung der Risikoklassen für Medizinprodukte gem. EU-Richtlinie 93/42/EWG

 

§ 137h SGB V – Frühe Nutzenbewertung für Medizinprodukte hoher Risikoklassen

Für Medizinprodukte der Risikoklassen IIb und III gilt seit dem 01. Januar 2016 der § 137h Sozialgesetzbuch V (SGB). Das Gesetz beinhaltet die Regelung für eine frühe Nutzenbewertung von neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (NUB) unter Einsatz von Medizinprodukten der Klassen IIb und III.

Gemäß Kapitel 2 § 30 der Verfahrensordnung (Stand 19.11.2019) beschreibt der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) Medizinprodukte mit hoher Risikoklasse wie folgt:

„1. Medizinprodukte mit hoher Risikoklasse nach § 137h Absatz 1 Satz 1 SGB V sind solche, die der Klasse IIb oder III nach Artikel 9 in Verbindung mit Anhang IX der Richtlinie 93/42/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 über Medizinprodukte (ABl. L 169 vom 12.7.1993, S. 1), die zuletzt durch die Richtlinie 2007/47/EG (ABl. L 247 vom 21.9.2007, S. 21) geändert worden ist, oder den aktiven implantierbaren  Medizinprodukten zuzuordnen sind und deren Anwendung einen besonders invasiven Charakter aufweist.

2. Die Anwendung eines aktiven implantierbaren Medizinprodukts weist einen besonders invasiven Charakter auf. Ein Medizinprodukt ist den aktiven implantierbaren Medizinprodukten zuzuordnen, wenn es sich um ein aktives implantierbares medizinisches Gerät nach Artikel 1 Absatz 2 Buchstabe c der Richtlinie 90/385/EWG des Rates vom 20. Juni 1990 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über aktive implantierbare medizinische Geräte (ABl. L 189 vom 20.7.1990, S. 17), die zuletzt durch die Richtlinie 2007/47/EG geändert worden ist, handelt.

(2a) Demnach ist ein aktives implantierbares Medizinprodukt jedes medizinische Gerät, dessen Betrieb auf eine elektrische Energiequelle oder eine andere Energiequelle als die unmittelbar durch den menschlichen Körper oder die Schwerkraft erzeugte Energie angewiesen ist und das dafür ausgelegt ist, ganz oder teilweise durch einen chirurgischen oder medizinischen Eingriff in den menschlichen Körper oder durch einen medizinischen Eingriff in eine natürliche Körperöffnung eingeführt zu werden und dazu bestimmt ist, nach dem Eingriff dort zu verbleiben.

3. Die Anwendung eines Medizinprodukts, das der Klasse III zuzuordnen ist, weist einen besonders invasiven Charakter auf, wenn mit dem Einsatz des Medizinprodukts ein erheblicher Eingriff in wesentliche Funktionen von Organen oder Organsystemen, insbesondere des Herzens, des zentralen Kreislaufsystems oder des zentralen Nervensystems einhergeht. Erheblich ist ein Eingriff, der die Leistung oder die wesentliche Funktion eines Organs oder eines Organsystems langzeitig verändert oder ersetzt oder den Einsatz des Medizinprodukts in direktem Kontakt mit dem Herzen, dem zentralen Kreislaufsystem oder dem zentralen Nervensystem zur Folge hat.

(3a)  Als langzeitig ist ein Zeitraum von mehr als 30 Tagen zu verstehen. Für die Bestimmung, ob der Eingriff die Leistung oder die wesentliche Funktion eines Organs oder eines Organsystems verändert oder ersetzt, sind auch seine beabsichtigten und möglichen Auswirkungen auf die gesundheitliche Situation des Patienten zu betrachten. Die Anwendung eines Medizinprodukts, das der Klasse IIb zuzuordnen ist, weist nur
dann einen besonders invasiven Charakter auf, wenn das Medizinprodukt mittels Aussendung von Energie oder Abgabe radioaktiver Stoffe gezielt auf wesentliche Funktionen von Organen oder Organsystemen, insbesondere des Herzens, des zentralen Kreislaufsystems oder des zentralen Nervensystems einwirkt.

(4a) Für die Bestimmung der gezielten Einwirkung des Medizinprodukts im Sinne von Absatz 4 ist seine der Zweckbestimmung entsprechende Anwendung zugrunde zu legen. Für die Bestimmung, ob die mögliche Einwirkung wesentliche Funktionen eines Organs oder eines Organsystems betrifft, gilt Absatz 3a Satz 2 entsprechend.“

 


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